Mit diesem Beitrag beginnen wir die Serie der Artikel unseres diesjährigen Tee Journals.
Eine Tee-Reise mit Kennern, Kunst und Kamera,
Teesträucher an steilen Hängen, sagenhafte Grünschattierungen so weit das Auge reicht – das ist Darjeeling in zweitausend Metern Höhe. Zum ersten Mal im äußersten Nord-Westen Indiens genügt dieser Blick, um uns den Atem zu rauben. Uns – das sind ein Reporter-Team im Auftrag des Fernsehsenders Pro 7, ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung, ein Kameramann auf Recherche, ein Künstler und ich, seit einem Jahr bei der Teekampagne und wie meine Mitreisenden zum ersten Mal in dieser sagenhaften Landschaft. Hier wächst er also, der „Champagner unter den Tees“, Darjeeling. Der milde Winter, in dem die Temperaturen selten den Gefrierpunkt erreichen, die regenstarken Sommermonate und die intensive Sonneneinstrahlung an den Steilhängen in der außergewöhnlichen Höhenlage bilden das ideale Klima, das dem Darjeeling-Tee sein ganz besonderes Aroma verleiht.
Und der Vergleich zu den Plantagen in der Ebene, in denen die Blätter der Teebäume längst nicht so zart und fein sind, ist augenfällig. Anfang April, wenn frühlingshafte Temperaturen die Luft erwärmen, ist die erste Ernte nach der Winterpause – First Flush - in vollem Gange. Mit geschickten Bewegungen und blitzschnell wandern die Blätter in die Körbe der Pflückerinnen, die routiniert in der Steillage des Himalaya balancieren. „Two leaves and a bud“ – zwei Blätter und die Blattknospe - ist dabei die oberste Pflückregel. „Nicht einfach“, stelle ich fest, als mir Mr. Kichlu, Manager der Chamong- Gärten, spontan einen Korb überwirft und mich in einen steilen Hang schiebt, um ein Erinnerungsphoto zu machen.
Mein Respekt vor dieser Arbeit wächst. Noch am Abend desselben Tages werden die Blätter über die schmalen Straßen, auf denen keine zwei Autos nebeneinander fahren können, zum Welken transportiert. Sorgenvoll schaue ich auf die schmalen Wege und nach den ersten Fahrten in diesem extrem steilen Gelände, durchgerüttelt und strapaziert, stelle ich mir die Frage, wie man hier überhaupt einen Jeep fahren kann. „Lieber nicht darüber nachdenken“, denke ich und vertraue auf die Erfahrung der Einheimischen, die mit unglaublicher Freundlichkeit und Gelassenheit jede noch so schwierige Situation meistern.
Erschreckender sind die riesigen Schneisen in der Landschaft: Erdrutsche, ausgelöst durch über hundert Jahre Monokultur, sind stille Mahner, verantwortungsvoll mit dieser einzigartigen Naturlandschaft umzugehen. Das Bewusstsein, ökologisch nachhaltig zu wirtschaften ist inzwischen vorhanden. Als Rajah Banerjee, Besitzer des Teegartens Makaibari, 1984 als Pionier mit dem Öko-Anbau begann, wurde er von seinen Konkurrenten erst belächelt und dann attackiert. Inzwischen steigt die Zahl der Teegärten, die auf den Einsatz chemischer Schädlingsbekämpfungsmittel verzichten, von Jahr zu Jahr. Die Chamong-Gruppe, aus der die berühmten Gartentees „Chamong“ und „Pussimbing“ stammen, stellt zurzeit ihr gesamtes Anbau-gebiet um: Acht von dreizehn Darjeeling-Gärten sind bereits öko-zertifiziert, die restlichen fünf befinden sich in der Umstellung.
Insgesamt erfolgt bereits 30 Prozent des Teeanbaus in Darjeeling nach Bio-Richtlinien. Ein nicht unerheblicher Faktor, der den Umweltschutz in den letzten Jahren stärker in den Vordergrund rückte, ist das Wiederaufforstungsprojekt der Teekampagne, das 1992 startete. Im Jahr 1996 übernahm der WWF die Betreuung des Projekts vor Ort. Allein seit dem sind mehr als 500.000 Euro für Naturschutz und nachhaltige Entwicklung der Region Darjeeling von der Teekampagne erbracht worden. Fast zwei Millionen Setzlinge wurden gepflanzt, davon 400.000 in den Jahren von 2002 bis 2006 in der Region des Paschim Forest.
Konnte bisher der Bodenschutz der anfangs durch unkontrollierten Holzeinschlag weitgehend entwaldeten und erdrutschgefährdeten Hänge des Darjeeling-Gebiets mit den Pflanzungen aus dem Wiederaufforstungsprojekt verstärkt werden, kommt nun noch ein weiterer Aspekt hinzu: Das Projekt dient dem WWF als Korridor: „Dank der Kooperation mit der Teekampagne können gerodete Wälder wieder aufgeforstet und so isolierte Waldflächen miteinander vernetzt werden. Damit erhalten wir Lebensraum für bedrohte Arten wie z. B. den Roten Panda“, erklärt Roland Melisch, Artenschutzexperte beim WWF.
Unvergessliche Eindrücke
Nach zehn Tagen in Indien bin ich mehr als beeindruckt: In Kalkutta lernte ich bereits viel über Tee und Teehandel. In Darjeeling konnte ich dann das theoretische Wissen in der Praxis verfolgen: Das Ernten des First Flush, Welken, Rollen, Fermentation, Trocknen, Sortieren, das Testen des Tees und Abwägen der kleinsten Nuancen, der Einkauf, Wiederaufforstung und Nachhaltigkeit – das alles hat plötzlich ein Gesicht bekommen. Natürlich bin auch ich mit einem bestimmten Bild im Kopf nach Darjeeling gefahren.
Aber die ganze Schönheit dieser Landschaft erschließt sich einem doch erst, wenn man sie mit eigenen Augen sieht.
Barbara Hoppe, Assistentin der Geschäftsleitung der Projektwerkstatt