Faire Einkaufspreise
Wir geben mehr als die Hälfte des Verkaufspreises für den Einkauf des Tees aus. Nur das Geld, was bei den indischen Teegartenbesitzern als ‚Gewinn‘ ankommt, kann in Form höherer Löhne verteilt werden. Im Übrigen können wir durch unseren Direkteinkauf in Indien Zwischenhandelsstufen ausschließen. Jeder Zwischenhändler verteuert das Produkt für den Verbraucher. Es gibt ungefähr 55.000 festangestellte Teepflückerinnen in Darjeeling. Es werden jährlich knapp 9.000 Tonnen Darjeeling produziert, von Fannings und Dust bis zu feinen Blatt-Tees FTGFOP1, die wir beziehen. Wir sind zwar ein großer und wichtiger Einzelkäufer in Darjeeling, aber dies ist in erster Linie auf den Wert der Einkäufe bezogen und nicht auf die Menge von ungefähr 400-420 Tonnen. Nicht möglich ist, dass die Teepflückerinnen, die auf Teeplantagen arbeiten, von denen die Teekampagne Tee bezieht, mehr verdienen, als diejenigen, die in anderen Teegärten dieselbe anstrengende Arbeit verrichten. In Lohnverhandlungen können wir uns als Käufer nicht direkt einmischen – Tarifautonomie gilt in Indien ebenso wie hier in Deutschland.
Der im TV-Beitrag genannte Tageslohn einer Teepflückerin von ca. 1,70 Euro/Tag ist niedrig, aber die Kaufkraft ist dort eine andere als hier. Im Übrigen wissen wir nicht, wo der Gewerkschaftsführer zu essen pflegt, denn auf dem Markt bekommt man für ungefähr 50 Rupien (ca. 70 Cent) eine Portion Hühnchen mit Reis. Des Weiteren gibt es nicht nur einen Lohn, der ausbezahlt wird, sondern kostenlose Leistungen, die der Teegarten zur Verfügung stellen muss, z.B.: Wohnung, medizinische Versorgung in den Krankenstationen und Krankenhäusern auf der Teeplantage, Krippen- und Schulbesuch. Außerdem gibt es Bonuszahlungen, Urlaubsanspruch, Mutterschutz und Rentenversorgung. Und niemand wird seiner Wohnung verwiesen, wenn er nicht mehr auf der Teeplantage arbeitet. Das indische Schulsystem ist ähnlich dem britischen, und englischsprachige Privatschulen kosten auch in Indien Schulgebühren, Schulbücher müssen selbst gekauft werden. Auch Medizin, die nicht im Zuge der krankenhausärztlichen Behandlung abgegeben werden kann, muss gekauft werden.
Ein großes Problem ist das Fernbleiben von der Arbeit in den Teegärten. Abwesenheitsraten von 40 Prozent sind nicht ungewöhnlich. Insbesondere, wenn Kardamom, Ingwer und Kurkuma geerntet werden können, ziehen es viele vor, selbstangebaute Gewürze und Gemüse aus dem eigenen Garten zu ernten und zu verkaufen. Vor diesem Hintergrund ist es schwer, Löhne auszuhandeln, für die die Teegartenbesitzer im Gegenzug auch eine verlässliche Arbeitsleistung fordern. Das wissen auch die Gewerkschaftsführer in Darjeeling.
Fälscher vom Markt vertreiben
Auch wenn es im Fernsehbeitrag keinen Hinweis auf gefälschten Tee bei den gezogenen Proben gab, wissen wir doch aus Expertenkreisen, dass die Unterscheidung von Tee aus Nepal und Darjeeling weitaus komplexer ist und es bis dato noch kein anerkanntes Prüfverfahren gibt. Die indische Teebehörde, das Tea Board of India, geht davon aus, dass ungefähr die vierfache Menge dessen als „Darjeeling“ verkauft wird, was in der Region produziert werden kann. Sind die Fälscher vom Markt vertrieben, wird die ohnehin schon große Nachfrage vergleichsweise noch größer und der Marktpreis steigt entsprechend.
Eigene Nachhaltigkeitsprojekte
In Darjeeling haben wir seit 1992 ein Wiederaufforstungsprojekt, das wir allein finanzieren. 1996 haben wir es dem WWF-India zur Organisation übertragen. Mit so einem starken Partner an der Seite, der sich vor Ort bestens auskennt, konnten wir das Projekt um viele Aktivitäten ergänzen. In Tonganagaon beteiligen wir uns an dem Ausbau einer Grundschule und bei der Anschaffung von Sonnenkollektoren, um abgelegene Siedlungen mit Licht zu versorgen. Eine vergleichsweise kleine Maßnahme, die wir als ersten Schritt für ein weiteres Engagement sehen. Gerade ein Teegarten wie Tonganagaon braucht jetzt Unterstützung und Aufbauhilfe. Wir sehen uns darin bestätigt, sich nicht auf Siegel zu verlassen, sondern dem persönlichen Eindruck zu trauen.
Bio-Tee
Auch wenn der Bio-Anbau in Assam durch das tropische Klima bedingt vergleichsweise schwierig ist, er ist möglich. Biologische Landwirtschaft ist mühsamer und erfordert mehr Arbeitskraft, aber sie zahlt sich für die Menschen vor Ort aus und lässt Verbraucher ihren Tee besser genießen. Tonganagaon ist einer der wenigen Bio-Gärten in Assam. Wir lassen jede Partie mehrfach auf Pestizidrückstände kontrollieren und veröffentlichen das Ergebnis auf der Rückseite jeder Packung.
Dass in Assam schwierige Bedingungen herrschen, macht auch dieser Beitrag deutlich: https://www.rainforest-alliance.org/articles/challenges-of-reform-in-assams-struggling-tea-sector
Wir können über Nacht keine Wunder bewirken, aber wir sind überzeugt, dass wir mit unserem Handeln dazu beitragen, die Situation der Menschen vor Ort in kleinen Schritten zu verbessern.
Wie können wir die Situation verbessern?
Am in der TV-Sendung gezeigten Boom des edlen Blatt-Tees in Deutschlands können die Pflückerinnen und Arbeiter auf den Teeplantagen nur partizipieren, wenn die Einkäufer aus Deutschland und anderswo faire Preise zahlen.
Wir haben den Journalisten Erik Hane und seinen Kameramann Daniel Meinl eingeladen, mit uns nach Darjeeling zu fahren, damit sie sich selbst einen Eindruck von den Arbeits- und Lebensbedingungen der Teepflückerinnen machen können. Des Weiteren haben wir Erik Hane einen Kontakt nach Assam in den Teegarten Tonganagaon vermittelt. Der Besitzer des Teegartens Tonganagaon, Ashok Lohia, hat ohne Zögern eingewilligt, diesen Teegarten zu zeigen, den er erst 2008 erworben hat. Damals war der Teegarten in einem desolaten Zustand, und auch heute ist noch längst nicht alles so, wie er es gerne hätte. Aber Transparenz ist Ashok Lohia wichtig, er scheut sich nicht, Missstände aufzuzeigen, und initiiert mit viel Engagement Projekte, um den Lebensstandard der 6.000 Menschen auf Tonganagaon zu verbessern und seinen internationalen Kunden hochwertigen Bio-Tee bieten zu können. Im unten angefügten PDF wird die Arbeit in Tonganagaon von Fair Trade gewürdigt, und wir rechnen damit, dass die Suspendierung des UTZ-Zertifikats in Kürze aufgehoben wird. Es hat uns verwundert, dass in der ZDF-Dokumentation nur ein einseitiges, sehr deprimierendes Bild von Darjeeling und Assam vermittelt wird. Die Teekampagne ist bekannt dafür, dass sie nicht wegschaut, sondern aktiv Lösungen sucht. Es ist darum bedauerlich, dass nicht auch aufgezeigt wird, was schon erreicht wurde.
Ginge es den Menschen in Darjeeling und Assam besser, wenn wir keinen Tee von dort trinken?
Ganz sicher nicht, denn dann hätten sie vielfach überhaupt keine Einkommensmöglichkeit mehr. Eine ganze Industrie würde eliminiert und andere Industriezweige würden ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen. Nebenbei bemerkt sind die Arbeitsbedingungen in vielen anderen Tee-Anbaugebieten der Welt nicht so gut wie in Darjeeling.